Im Gleisdreieck: Fußgänger trifft auf krasse Piloten

Rein in die Sportklamotten, Laufschuhe an. Es ist 8:30 Uhr. Los geht’s. Jetzt eine Runde Laufen im Gleisdreieckpark ist doch nett. DENKSTE! Fehler. Ganz großer Fehler. Wie ich als Fußgänger auf der Fahrradschnellstraße überlebte und am Ende mit einem Lächeln nach Hause ging.

Von vorne, von hinten von überall her brausen Sie an: Radfahrer. Manche geben Handzeichen wenn sie abbiegen. Möchte man einen Weg überqueren, empfiehlt es sich als Fußgänger zunächst anzuhalten und gründlich nach links und rechts zu schauen. Dit jibt’s doch jar nich. Is dit hier der Kudamm oder wat?, denke ich. Soll ich lieber nach Hause gehen?

Hauptverkehrsader für Radfahrer

Zu Fuß zu dieser Zeit im Gleisdreieckpark unterwegs sein,  das ist nicht lustig. Es ist die Hauptverkehrsader für alle, die am Potsdamer Platz arbeiten und mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Und wie es scheint dabei gerne spät dran sind. Jedenfalls müssen sich alle Fahrradfahrer sehr beeilen.

Ich werfe meine Bedenken über Bord. Tapfer laufe ich neben der ICE-Trasse Richtung Süden dem Strom der Radfahrer entgegen. Immer schön am rechten Rand halten. Ein starker Halogenscheinwerfer blendet mich am helllichten Tag. Ich senke den Kopf. Als ich wieder hoch schaue, sehe ich einen älteren Mann mit zornigem Gesicht. Ich muss an Edward Munchs „Der Schrei“ denken.

Der Radfahrer saust an mir vorbei. Full Speed. E-Bike. Irgendwie tut er mir Leid, wie er sich so am Morgen mit verzerrtem Gesicht durch den Park quält. Geschafft. Ich laufe jetzt abseits der Fahrradschnellstraße. Ich weiß wo es nicht so voll ist. Auch um 8:30. Aber schon bald stellt sich die Frage: Wie komme ich in den Westpark?

Fußgänger haben Vorrang

Auf dem etwa zwei Meter breiten Weg, der die beiden Teile des Parks verbindet gehe ich und schließe schnell zu drei jungen Frauen auf. Hinter uns klingelt es schrill. „Fußgänger haben Vorrang“, ruft die eine Frau. „So steht es dort auf dem Schild. Kann der nicht lesen?“ Der Radfahrer reagiert nicht. Er muss aufpassen, dass er nicht mit einem entgegenkommenden Radler zusammenstößt.

Schon klingelt es wieder. Es ist mittlerweile 8:50. Jetzt sind die unterwegs, die echt knapp dran sind fürs Büro. Was ist passiert, das einen so verbiestert und verbohrt und grimmig Fahrrad fahren lässt, frage ich mich. Wisst ihr denn nicht mehr wie alles angefangen hat? Wie eure Vatis neben euch hergerannt sind und dann irgendwann haben sie heimlich losgelassen – und es klappte.

Zu Fuß: Gefällt mir!

Ich mache eine Pause und setze mich auf eine Bank. Genieße. Nach einer halben Stunde laufe ich wieder den Weg zwischen den Beiden Parkteilen entlang. Jetzt ist es 9:20 Uhr. Ich begegne drei Jungs. Nanu? Müssten die nicht in der Schule sein. Schwänzen die Bengel? Weiter hinten sehe ich eine größere Gruppe. Schulklasse. Wandertag.

Die Jungs kommen näher.
Junge 1: „Ey, Mann, ist das hier Formel-1-Strecke, oder was?“
Sein Kumpel ergänzt: „Ey, sind die alle krasse Piloten.“
Und Junge 3 staunt: „Wie die Fahrrad fahren.“

Ja, denke ich, Jungs, da hättet ihr mal vor einer halben Stunde hier sein sollen… da war was los.
Junge 1: „Ey, guck mal, wenigstens ein normaler Mensch“
Junge 2: „Ey, Sie machen das richtig, Mann. Sie gehen zu Fuß.“
„Ja, Mann!“ sagt Junge 3. Dabei streckt er den Daumen hoch.

Da stehe ich also im Park, unter der U-Bahnbrücke am Hauptverkehrsknotenpunkt zwischen Ost- und West-Park und drei Jungs zeigen mir mit beiden Händen den nach oben gestreckten „gefällt mir“-Daumen – einfach weil ich laufe und locker bleibe.

Danke, Jungs! Ihr habt meinen Tag gerettet. Und bitte, bitte bleibt so entspannt …

 

zwei fahrräder am Zaun vor Graffiti

So geht’s: Als Fahrrad (-Fahrer) mal die Perspektive wechseln.

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