Kurze Pause zwischen Huxleys Neue Welt und Bauhaus. Ich setze mich an einen Tisch vor dem Denn’s Biomarkt an der Hasenheide und packe mein Dinkelbrötchen aus der raschelnden Papiertüte aus.
Am Nebentisch stellt ein älterer Herr seinen Kaffeebecher ab. Er lässt sich auf einen Stuhl fallen und legt sein Telefon auf den Tisch. Die Sonne scheint. Montagmorgen.
Mööp. Mööp.
Es hupt von rechts, aus Richtung der Ausfahrt.
Mööööööp.
Die Schlange der Autos, die das Gelände verlassen wollen, ist recht lang. Hat wohl wieder einer vergessen, sein Parkticket zu bezahlen und nun geht die Schranke nicht auf. Das kenne ich schon.
Mööp. Mööp.
Biep. Biep. Biep.
Das typische Warnsignal eines zurücksetzenden größeren Fahrzeuges folgt. Oh ha.
Mööööööp. Mööööööp.
Das Hupen wird bestimmter.
„Mannometer, ey, ick zeig euch glei ma, wie man rückwärtsfährt!“ Mir gegenüber im überdachten Unterstand für die Einkaufswagen hat es sich ein Mann auf seinem Rollator gemütlich gemacht und brabbelt vor sich hin. Energisch schüttelt er den Kopf. Es vergehen nur wenige Sekunden, da sehe ich das Heck eines 7,5-Tonners langsam hinter der Gebäudeecke hervorrollen.
Mööp. Mööp. Möööööp.
Der LKW stoppt, allerdings bleiben die weißen Rückleuchten an und somit der Rückwärtsgang eingelegt. Direkt dahinter steht ein kleiner schwarzer BMW ziemlich ungünstig sowas von im toten Winkel. Toter geht nicht. Und der Fahrer wird langsam nervös. Jedenfalls erhöht er die Frequenz des akustischen Signals, das er absetzt.
Mööp. Mööp. Mööp. Mööp. Mööp.
Es ist erstaunlich wie viel Aussagekraft in einer Hupe liegen kann.
Die Antwort kommt prompt.
Biep. Biep. Biep.
Der LKW rollt weiter zurück. Aber das nachfolgende Fahrzeug hat keine Chance selbst zurückzusetzen, da mittlerweile ein Dutzend Autos Stoßstange an Stoßstange hinter ihm stehen. „Seid ihr denn alle bekloppt hier?“, meldet sich der Rückwärts-Fahr-Auskenner von vis-à-vis zu Wort. Weiter hinten in der Schlange drücken jetzt die nächsten Fahrer kräftig aufs Horn. Mööp. Müüüüüüüüp. Meep. Meep.
Andere versuchen ihre Autos zu manövrieren. Es ist wie bei einer langwierigen kieferorthopädischen Behandlung. Es dauert und die entstanden Lücken bewegen sich im Millimeterbereich.
„Was hat die Ärztin denn gesagt?“, fragt eine Frauenstimme. Huch. Der ältere Herr am Nebentisch hat sein Smartphone auf Lautsprecher gestellt. Da ist es nun auch egal, dass er es hochgenommen hat und zwanzig Zentimeter vor seinen Mund hält.
„Allet Scheiße hier“, ruft der Mann von gegenüber.
„Na, Rücken“, sagt der Mann am Nebentisch.
Mööp. Mööp.
„Und jetzt?“, fragt die Telefonstimme.
„Yallah!“
Eine Frau eilt an den Tischen vorbei. Am ausgestreckten Arm zieh sie einen kleinen Jungen hinter sich her.
„Als Alkoholiker sollste nich inne Sonne sitze!“, sinniert der Mann auf dem Rollator vor sich hin.
„Keine Ahnung“, schreit der andere Mann in sein Smartphone.
Möööp.
„Soll wiederkommen.“
Biep. Biep. Biep.
Mööööööööööööööööp.
Tatüüüü. Tataaaa.
Vorne auf der Straße boxt sich ein Rettungswagen den Weg frei in Richtung Hermannplatz.
Ich stecke mir das letzte Stückchen Dinkelbrötchen in den Mund, stehe auf und gehe. So klingt der Hermannplatz. Eine wunderbare Pause.
Foto: (c) Pascua Theus / PIXELIO