Heizen uff berlinerisch

Es ist kalt in Berlin an diesem Montagmorgen. Ich ziehe fröstelnd die Schultern hoch, jefühlt bis über beede Ohren. Das ist aber nur so ein Gefühl. Denn hören tue ich gut.

Deshalb entgeht mir das Gespräch der drei Senioren nicht, die vorm Supermarkt meines Vertrauens stehen. Während ich überlege, ob ich ein Bund Tannenzweige oder lieber einen Weihnachtsstern kaufe soll, hat die Generation 70-Plus ganz andere Themen. „Ick hab ja jetzt inseriert“, sagt der ältere Herr und blinzelt die beiden Frauen erwartungsvoll an. Er lächelt wie ein kleiner Bengel, der am 1. April ein Portemonnaie am Bindfaden auf dem Bürgersteig platziert hat und jetzt in seinem Versteckt auf das erste Streichopfer wartet. He. He. He.

„Ach, ja?“
Noch scheint die Dame mäßig interessiert. Ihr frisch geföhntes Kurzhaar trotzt dem ungemütlichen Wind, der mir bis unter den Mantel fegt. Betonhart. Mütze, nein danke.

„Jaaa.“
Erwidert der Herr und wippt auf die Zehenspitzen. Achtung: Spannungsbogen.

„Und wo?“
Fragt die Frau gnädigerweise.

„Na, inne Zeitung. Unter SUCHE.“
Er strahlt.

„Wat suchste denn?“
Mischt sich die zweite Dame in das Gespräch ein.

„Ick hab ne Annongse uffjejebn: Suche alleinstehende Dame mit warmer Wohnung.“
Triumphiert der Senior. Gekonnt die Pointe platziert. Chapeau, Monsieur. Touché.

„Hä?“
Sagt die erste jetzt doch erwartungsvoll.

Ja allerdings, denke ich. Da bin ick janz bei Ihnen, jute Frau. Was soll das denn? Da die Sache jetzt spannend wird, lasse ich mir mit der Pflanzenauswahl noch etwas Zeit. Ganz unauffällig natürlich. Vielleicht sollte ich eine Christrose nehmen. Winterhart. Für draußen am französischen Balkon.

„Wat isn dit fürn Quatsch?“
Fragt die Frau empört.

„Na, von wejen de Heizkosten.“

„Ach so?“

„Ick dachte, ick such mir so Eene, weeste, mit ´ne große Wohnung wo och ville Platz is … und denn zieh ick da rinn. Vorrüberjehend. So übern Winter.“

„Aha.“
Sagt die erste Dame.

„Spar ick mir, meene Bude zu heizen. Dit kann doch keen Mensch mehr bezahlen.“

„Ne alleinstehende Dame?“
Fragt die eher schüchterne zweite Seniorin und drückt mit den behandschuhten Fäusten ihren Einkaufbeutel fest gegen ihren Bauch.

„Na, davon jibs doch jenuch!“

„Na, da hat die Damenwelt ja druff jewartet!“
Sagt die erste Frau trocken.

„Wie jetzt?“
Fragt der Mann.

„Jottes Jeschenk an de Frauen, wa?“
Prustet sie heraus.

„Hatta wohl ´n schlechten Tach jehabt!“
Mischt sich die Schüchterne ein. BÄM, in your face. Mit einer gezielten Geraden haut die zweite Dame dem Quatschkopp mitten eens uff de Zwölf. Also, verbal gesehen. Vollkommen gelassen. Ich würde mal sagen, der Punkt geht an die Ladies. Ich feiere innerlich.

„Nana.“
Sagt der ältere Herr.

„Na is doch so.“

„Saick doch.“

Pause.

„Viel Glück mitte Annongse.“
Sagt die erste Frau und macht eine abwinkende Handbewegung.

„Äh, danke.“
Erwidert der Mann.

„Und imma schön warm anziehn, wa!“
Ergänzt sie. „Dit hilft ooch.“

Die Frauen verabschieden sich und gehen die Straße nach links hinunter. Ich habe mich für eine kleine Konifere entschieden. Als ich zum Bezahlen in das Geschäft gehen will, höre ich hinter mir eine nun ja, vertraute Stimme: „Entschuldijen Se, junge Frau … “ Ich denke, ach nee, was jetzt. Dann drehe ich mich um und sehe in das Gesicht des älteren Herren. Ein Moment vergeht. Meine Finger sind kalt, deshalb lässt sich der Ehering an meinem Ringfinger locker mit dem Daumen hin und her drehen. Bin ich etwa nervös?

„Jaaa …?“
Sage ich zögerlich.

„Ihr Handschuh, da issa.“
Er reicht mir das Kleidungsstück. „Is doch kalt.“

„Äh, danke.“

„Immer schön warm anziehen, wa!“
Sagt der ältere Herr. Dann verabschiedet er sich und geht er die Straße nach rechts hinunter.
Quatschkopp!

 

 

 

Foto: (c) Dorothea Jacob / pixelio.de

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