Live dabei: Wer ist iPhone 2?

zugeklapptes Macbook liegt auf einem Tisch

Wir sitzen vor dem Laptop. Es ist eine virtuelle Infoveranstaltung für Eltern. Zoomkonferenz. Bevor hier eener meckert: Ick weeß, dit is nüscht Neuet. Oder doch?

Nach und nach ploppen die Miniaturen auf: Mütter in gemütlichen Lesesesseln, Mütter vor Bücherregalen, Mütter mit professionellen Headsets. Einige schütteln ihr Haar, richten die Frisur, wissend dass sie längst von allen zu sehen sind. Väter sind auch dabei, einer sitzt auf der Couch und hat ein ultraprofessionelles Mikrofon vor sich. Später wird er ultrafachkundige Fragen stellen. Die meisten Bildschirme bleiben schwarz, auf ihnen stehen die Namen der Kinder. Die Konferenz kann beginnt. Denkste! „Wer ist iPhone 2?“, fragt die Leiterin dieser digitalen Veranstaltung.

Sie bittet, den eigenen oder den Namen des Kindes zu nutzen, schließlich würden vertrauliche Informationen ausgetauscht. Meine Tochter verdreht die Augen. „Da checkt es doch wieder einer nicht“, seufzt sie. Im gleichen Moment bekommt iPhone 2 ein Gesicht. Ein Mann mit einem leuchtend grünen Pullover langt in Richtung Kamera, steht auf. Das Bild wackelt wie bei einem Reporter, der aus einer dramatischen Wetterlage in die deutschen Wohnzimmer sendet und eines dieser flauschigen Spezial-Mikrofone tapfer in den Wind hält. Das Bild in iPhone 2s Fensterchen kippt. Huch. Zwei haarige Nasenlöcher in Nahaufnahme. Meine Tochter kichert.

In die anderen Miniaturen kommt Bewegung, leichte Unruhe wie vor einer Theatervorstellung. „Ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen …“, sagt die Leiterin der Konferenz, um deren Fenster jetzt der gelbe Rahmen leuchtet. Trotzdem sehe ich immer wieder auf die Miniatur von iPhone 2 und ja, ich werde belohnt. Das Bild schwankt. Es wird ganz grün vor lauter Pullover. Oha. Was kommt jetzt? Eine Windböe? Live-Bericht vom Brocken? OMG, er ist im Auge des Sturms und …. Wir sehen sein Gesicht aus der Froschperspektive und im Hintergrund zieht die Flurwand vorbei. „Der geht jetzt bitte nicht aufs Klo“, wispert meine Tochter.

Ich erkenne Lichter, die denen in unserer Badezimmerdecke sehr ähneln. „Abwarten“, antworte ich leise und denke: bitte, bitte nicht! Stillstand. Deckenspots. Nichts regt sich. Puh. „Eine Zusammenstellung der besten Bilder…“, höre ich die Leiterin der Konferenz sagen. In den anderen Fensterchen beißt ein Elternpaar regelmäßig von seinen Broten ab … die Zwillingsschwestern oben links wechseln Blicke … Headset-Mom macht eine grüblerische Pose aus Zeigefinger unter der Nase und Hand überm Mund. Gekonnt verdeckt sie damit ihr Grinsen. Profi. „Deshalb freuen wir uns, dass alles so gut läuft …“, sagt die Leiterin der Konferenz. Uh.

„Da“, meine Tochter knufft mir ihren Ellenbogen in die Seite. iPhone 2 schaut genau in die Kamera. Er hat eine Zahnbürste im Mund. Dann ist er weg, wieder da, weg und da. „Ausgespült“, kommentiert meine Tochter. Es folgt eine Kamerafahrt über die bereits bekannte Flurwand und schließlich erfreuen wir uns am Anblick des Ausgangspunktes: dem freundlichen Interieur des Arbeitszimmers.  „Wird alles gut klappen und deshalb …“, sagt die Leiterin der Konferenz. Geschafft. Meine Tochter und ich beißen uns auf die Lippen. Warum wir die ganze Zeit flüstern, wissen wir auch nicht. Fühlen wir uns beobachtet? Nach der obligatorische „Haben-Sie-noch-Fragen“-Runde ist die Sitzung beendet.

 

„Äh, was war jetzt noch mal wichtig“, fragt meine Tochter als sie den Laptop nach gut einer Stunde zuklappt. Pause. Ich antworte: „Alles wird gut klappen!“

 

 

 

 

 

Foto: (c) David v. Behr / pixelio.de

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