Mit der U-Bahn to the next Level

Berliner U-Bahn Zug im Bahnhof

Von Level zu Level hopsen – ist das Großstadtleben nur ein Game? Zu dieser philosophischen Frage inspirierte mich die Aufschrift auf einem Kleidungsstück. Leute kieken in der U-Bahn, dit macht Laune.

Heute Morgen sah ich einen Mann auf dem U-Bahnhof. TO THE NEXT LEVEL prangte in großen Buchstaben auf seiner Sweatshirt-Jacke. Ich betrachtete den Mann. Er trug ein Käppi und einen Rucksack. Die Gurte hatte er über der Brust und in der Taille festgezurrt, so dass sie in seinen massigen Körper schürten. Oberhalb und unterhalb der Bänder quoll eine Mischung aus Körperfett und Sweatshirt-Jacken-Stoff hervor und formte unansehnliche Würste.

Der Style: Level zero

Die Farbe war nicht vorteilhaft. Das kam erschwerend hinzu. Ich kenne das. In einer hellgrau melierten Pyjamahose sieht mein Hintern dreimal so breit aus. TO THE NEXT LEVEL. Wäre ich Kim Kardashian trüge ich ausschließlich Hosen in dieser Farbe. Bevorzugt aus leichtem T-Shirt-Stoff und freute mich täglich über die vielen Dollar, die ich sparte. Brazilian Butt leicht gemacht.

Der Mann schlenderte den Bahnsteig entlang. Sein gemäßigtes Tempo ließ mir Zeit für weitere modische Studien. Da ich in Sachen Mode eine Ausbildung habe, analysierte ich schnell das Gesamtbild. Das Urteil fiel vernichtend aus. Ein Fashion-Fauxpas reihte sich an den anderen. Seine braune Cargo-Hose mit großen Taschen und weiten Hosenbeinen reichte bis zur halben Wade. Es folgten eine Handbreit nacktes Männerbein und bis zum Anschlag hochgezogene schwarze (immerhin!) Socken. Dazu trug er gleichfarbige Halbschuhe aus Kunstleder mit Klettverschluss, deren Sohlen eindeutig den Knick-Senkfuß mit starkem Innendrall verrieten. TO THE NEXT LEVEL.

Wir rücken in eine neue Dimension

Welches Level? Was würde mich dort erwarten? Wäre Homer Simpson das nächste Level? Der Schritt auf eine neue Ebene schien Überraschungen parat zu halten. Ich wurde neugierig. Gleichzeitig wurde ich unsicher, ob ich das wollte. Ob die Designer solche Zusammenhänge bei der Wahl des Aufdrucks bedacht hatten. Mir fiel die Werbekampagne einer Parfümeriekette ein, die durch die häufige Fehlinterpretation der Kunden Berühmtheit erlangt hatte: Come in and find out.

Wollte ich wissen, wie das ist? Wenn ich mich als transformierte Fleischmasse auf dem nächsten Level befände, würde ich herausfinden aus diesem Elend? Höbe mich dieses Kleidungsstück in eine neue Dimension? Von der sportiven Mutter dreier Kinder zu einer Couchpotato mit Null Ambitionen auf Bewegung. Mich grauste es. Ich spürte einen kräftigen Luftzug und fröstelte.

Das war es. Der Hauch des Todes war an mir vorbeigeschlendert. Ganz langsam. Unaufgeregt. Und hatte mich in seinen Bann gezogen. TO THE NEXT LEVEL. Oh, mein Gott. Ich werde sterben. Die Worte schossen durch meinen Kopf. Der Sog verstärkte sich und die U-Bahn rumpelte in den Bahnhof. Glück gehabt.

Glück ist das höchste Level

Bevor ich einstieg, streifte mein Blick die Schlagzeilen auf den Zeitschriften am Kiosk. Im Herbst sind sie sehr spirituell. Dunkle Jahreszeit, Schmuddelwetter, schlechte Stimmung und so. Ich las in lilafarbenen Lettern: „Vertraue dir selbst, die eigene Stärke entdecken“. Daneben prangte etwas forscher in pink die Frage: „Wie willst du leben?“ Zartes Pastell auf der nächsten Titelseite zeigte mir: „Die drei Stufen auf dem Weg zum Glück“. TO THE NEXT LEVEL.

Dann ist ja gut.

 

 

Fotos: U-Bahn (c) montagmorgen.berlin / Kleeblatt (c) Kurt F. Domnik / pixelio

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