Der Name? Dit is nur Schall und Rauch

Sonnenblume vor weißer Hauswand

Was sagt der Name über eine Person? Alles? Oder nichts? Du trägst ihn ein Leben lang. Bei der Antwort auf die Frage: „Wie soll das Kind heißen?“ geben sich Eltern allergrößte Mühe, um alles richtig zu machen. Das gelingt nur bedingt.

Meist kann man nichts dafür, was die Eltern so verzapft haben. Uschi und Günter, Stefanie und Matthias und schließlich Leon und Marie. Jede Zeit hat ihre Lieblingsnamen. Meine Eltern waren ihrer Zeit weit voraus und wählten einen nordischen Namen für mich: Kristina. Zeit meines Lebens habe ich stets, wenn das „Ch“ schon geschrieben war, korrigieren müssen: Kristina mit K. Ich trage es mit Fassung.

Vielleicht spielte dies unterbewusst eine Rolle, als mein Mann und ich einen nordischen Namen für unsere Tochter wählten? Sie sollte es nicht leichter haben als ich? Wie groß die Bürde eines Namens sein kann, erfuhr ich allerdings erst Jahre später auf einer Party. Frauen-Party. Privat in Neukölln. Gleich vorneweg: Es war ein schöner Abend. Es wurde viel getrunken und gelacht. Und wie es so dazu gehört, drängelten sich die Raucherinnen auf einem winzigen Balkon.

Stark sein: Frauen unter sich

Dort kam ich schnell ins Gespräch. Die Frau war blond und wirkte irgendwie – esoterisch. Das passte zwar nicht zum Rauchen … aber was soll’s. Wir begannen mit dem erprobten Einstieg „Und woher kennst du … (die Gastgeberin)?“ Es funktionierte. Eine lockere Konversation begann. Dazu tranken wir Bier. Wir lachten. Wir sprachen über Kitas, den Kiez und schließlich über unsere Kinder. Es war nett.

Die blonde Frau erzählte von ihrer Tochter, die, wie sich herausstellte, im gleichen Alter ist, wie meine Tochter. Nur – statt „meine Tochter“ sagte die Frau stets den Namen ihres Kindes. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte, also fragte ich beschwingt nach. „Branwen“, sagte die blonde Frau und spitze leicht den Mund. Mein kleines Proleten-Hirn dachte bierselig an Branntwein.

Ich nickte bedächtig.

„Deine Tochter heißt Branwen“, hörte ich mich sagen. „Äh … ein schöner Name, ungewöhnlich.“
„Das ist ein alter walisischer Name“, erklärte die Frau. Wieder waren meine Gedankengänge sehr einfach: Ich dachte das wäre die ganze Erklärung.

Ich nickte erneut.

Nomen est Omen: Ick staune …

Dann passierte in etwa Folgendes: Meine Balkon-Bekanntschaft öffnete den Mund und aus ihr heraus sprudelte es. „Das hat so eine schöne Tradition … Das war uns wichtig und wir wollten, dass der Name eine bestimmte Energie transportiert. Es hat ja etwas Kraftvolles, Starkes in sich … aber zugleich auch eine weibliche Komponente. Wir wollten, dass sie die Energie dann für sich nutzen kann. Außerdem ist Branwen der Name ihrer Großmutter väterlicherseits, die sie wohl nie kennenlernen wird …

… also, der Vater hat sich früh entschieden, nicht bei uns zu Leben und so ist in dieser Richtung kein Kontakt aufgebaut worden. Aber wir fanden, dass diese Seite der Familie ja auch ein Teil in ihr ausmacht und sie sollte die Chance haben, auch diesen Teil ihrer Familiengeschichte zu erfahren. Uns ist schon klar, dass wir ihr damit eine ganz schöne Bürde auferlegt haben, aber wir denken schon, dass Branwen stark genug ist, um damit umzugehen.“

Pause.

Ich trank einen Schluck.

„Mmmh“

Pause.

„Und wie heißt deine Tochter?“, fragte die blonde Frau.
Ich antwortete.
Die Mutter der walisische Namenskriegerin neigte bedächtig den Kopf hin und her: „Ja, ich glaube das habe ich schon mal gehört.“
„Das ist eine Kurzform“, schob ich hinter. „Noch’n Bier?“

Ich ging in die Küche.

Die Wahrheit ist: Als ich schwanger war, hatten mein Mann und ich in einem dicken Kreuzworträtsellexikon nachgeschlagen. Stichwort: Vornamen. Nordisch. Weiblich. Wir fanden den Namen einfach schön. So simpel ist es.

Wenn unsere Tochter das eines Tages erfährt, ist sie hoffentlich stark genug, um damit umzugehen.

 

 

 

 

 

 

 

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