Zweesprachich dank Berliner Schnauze

zwei Braunbären stehen sich Schnauze an Schnauze gegenüber

Vor einiger Zeit kam mein Sohn zu mir mit einer Hausaufgabe. Er wollte meinen Rat. Da fühlt man sich als Mutter ja schon jebauchpinselt, wenn man noch gefragt wird.

„Wir sollen Wörter aufschreiben, in den Sprachen, die zuhause gesprochen werden“, sagte er. „Ahaa“, antwortete ich vorsichtig. Das Kind ergänzte: „Englisch und Französischen zählen aber nicht.“ Ich fragte: „Und Deutsch?“ „Sowieso nicht.“ „Mmh, das ist schwierig. Wie kommt deine Lehrerin denn darauf?“ wollte ich wissen. „Es geht um Sprachen und Unterschiede. Also Dilara macht Türkisch, Tom Polnisch. Es gibt auch Aramäisch, Kroatisch und Spanisch. Wir sollen so Sachen sagen wie hallo, guten Tag, ja und nein.“ Mein Sohn geht in Kreuzberg zur Schule.

„Aber das ist voll unfair, was soll ich denn jetzt machen?“, rief er. Ich verstand seinen Ärger und dachte nach. Plötzlich sagte er: „Ich mach‘ koreanisch.“ „Äh, Moment mal, bei uns spricht niemand koreanisch“, gab ich zu bedenken. Ich weiß, dass er K-Pop-Bands mag, äußerte aber, dass das nach meiner Einschätzung nicht reiche. „Aber Mama!“ rief er mit leichter Verzweiflung in der Stimme. „Pass uff“, sagte ich zu ihm „bei dir zuhause wird berlinert.“

Mein Sohn zog die Augenbrauen zusammen. Echt jetzt? „Dit kannste uffschreiben: Tachchen, ja und nee, Feuawehr und Jurke.“ Er guckte mich mit diesem Ok-jetzt-spinnt-sie-aber-wirklich-Blick an. „Ick meen dit total ernst, ick sach da, wenn ick bei euch inne Penne uffschlage und richtich losleje, denn versteht dit ooch keen Mensch!“ Mein Sohn weitete entsetzt die Augen. Alles bloß das nicht.

Zwei Stunden später stand er mit seinem Heft bei mir in der Küche. Ich diktierte ihm einige flotte Wörter und Sätze ins Heft. In meinem Alltag kommen sie viel zu selten vor, aber da sind sie noch immer. Im Berliner Südwesten wuchs ich zweisprachig auf: Zuhause wurde berlinert, in der Schule hochdeutsch gesprochen. An West-Berliner Gymnasien war das Pflicht. Ich beherrsche beides fließend und kann locker innerhalb eines Satzes wechseln.

Wie die Jugendlichen in der U7, deren Jespräch ick nu nich umhin kam zuzuhören. Janz schön krakeelt hamse, da inne Bahn und ich konnte gar nicht anders als lauschen. Nach einer kurzen türkischen Sequenz, deren Inhalt ich nicht verstand, folgte ein „… war so schwer!“ „Voll gemein!“, entfuhr es dem anderen. Der erste kommentierte wieder auf türkisch und baute kurz vor Ende seiner Rede das Wort „Führerschein“ ein. Ich mag das, mit welcher Lässigkeit sie sich aus beidem bedienten.

Mein Sohn bekam ein Plus für Kreativität. Ich finde, ich sollte zuhause mehr berlinern, damit es nicht ausstirbt. In Brandenburg hört man dit ja viel öfter. Vielleicht fühl ick ma deshalb dort so wohl.
Es ist der Klang der Kindheit.

 

 

 

Foto: iStock / ygluzberg

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