Neulich im Blumenladen

Topfpflanze Monstera neben einem Klavier

„Dit wärn Se in janz Berlin nich finden!“, sagt die Frau am Montagmorgen in einem Blumenladen in Neukölln und ich denke: Na spitze, die Woche fängt ja gut an.

„Guten Tag, ich bin auf der Suche nach einer Blumenspritze. Haben Sie so etwas?“, frage ich die Dame hinter der Ladentheke des Pflanzengeschäfts bei Karstadt am Hermannplatz. „Nee, sowat hamwa nich“ kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich veräppeln will. „Okay“, sage ich und schaue mich im Geschäft um „ich dachte nur …“.
„Dit wärn Se in janz Berlin nich finden!“
„Ach so“, sage ich erstaunt.

Dann erklärt sie mir die Zusammenhänge zwischen den kleinen Geschäften und den Großhändlern, von denen allerdings bis auf einer, alle Pleite gemacht hätten, sogar der Schulze aus Falkensee. Nun würde nur noch der eine liefern. „Aber der hat ooch nüscht!“
„Ach so“, sage ich jetzt höflich und bedanke mich für die Erläuterung.
„Dit wird immer schlimmer“, sagt die Frau mit der schwarzen Schürze. Sie schüttelt den Kopf. Dabei wackelt ihr schwarz gefärbter Pferdeschwanz und als sie weiterspricht, fallen mir einige Zahnlücken auf. So stelle ich mir eine Marktfrau zu Zeiten der französischen Revolution vor.

Das kleine Messer, mit dem sie die Stiele blutroter Rosen angeschnitten hat, legt sie jetzt bei Seite. „Wenn dit so weiter jeht“, macht sie ihrem Ärger Luft. Um den Worten Nachdruck zu verleihen, bewegt sie die frei gewordene Hand über dem Verkaufstresen als würde sie einem imaginären Hund flott den Kopf tätscheln. Ihre Augen verengen sich. „Wir kriegen ja nüscht mehr“, raunt sie mir entgegen.

Blumenkästen – janz schlimm!

„Okay“, sage ich wieder. „Ich könnte ja vielleicht drüben bei Bauhaus gucken. Die haben auch eine Gartenabteilung.“ „Ick schicke meene Kunde ja immer zum Bauhaus.“, donnert mir Madame Noir entgegen. Hä? War jetzt eigentlich meine Idee, aber ich möchte nicht streiten. Ich schweige. „Nich ma Blumentöppe jibtet dieset Jahr. Janz wenije hatten wa jehabt, aber allet weg!“ Sie beugt sich mir entgegen. „Sie kriegen ja nüscht mehr!“ Wieder streichelt die erhobene Hand die Luft. Und ich frage mich langsam ob da was ist, was ich nicht sehe.

„Und Blumenkästen“, ruft sie „janz schlimm!“ Sie liegt jetzt vornübergebeugt auf dem Tresen, eine Haarsträhne fällt ihr ins Gesicht. Dann erzählt sie mir mit gedämpfter Stimme: „Aba wir ham ja noch welche jekriecht!“ Die Hand segnet jetzt das unsichtbare Wesen auf dem Tresen in einer ruhigen Geste, ich sehe auf ihre mir zugewandte Handfläche, dann in ihre Augen. Und wieder zurück. Heilige Scheiße. Was ist hier los? Keine Blumenkästen? Ich bin mir sicher: Die stehen stapelweise im Baumarkt.

„Ha!“, ruft sie. Ich zucke zusammen. „Aba ick hab nochn Restposten erwischt!“ Ruckartig nimmt sie gerade Haltung hinter dem Ladentisch ein. Sie genießt ihren Triumph. „Hamwa echt Glück jehabt. Ja, jewusst wie.“
„Ach so“, sage ich schnell bewundernd.
„Da hamwa welche jehabt, aber allet weg!“
Pause.
„Allet weg!“

Vielleicht hamse ja Glück!

Apropos. Ich habe inzwischen vorsichtig einen Schritt Richtung Ausgang gemacht. „Aber letztet Jahr war dit janz schlimm mit die Dinger.“ Die Frau hält mir einen tennisballgroßen Gummiballon mit einem Metallröhrchen daran entgegen. Eine Blumendusche. „Da hat ick ne Kundin, die wollte sowat, war janz schwer. Ham Se in janz Berlin nich …“
„Äh, Entschuldigung. Ich muss jetzt echt weiter“, werfe ich ein. „Einen schönen Tag noch.“
„Ja schönen Tach, ooch. Vielleicht ham Se ja Glück.“
„Ja, danke.“

Schräg gegenüber am Anfang der Hermannstraße ist ein Geschäft, in dem es allerhand Krimskrams gibt. Vom Teeservice über Besteck und Kochtöpfe, bis zu Badelatschen und Schreibblöcke. Irgendwie alles. Dort kaufe ich eine Blumenspritze für drei Euro.
Was bin ich doch für ein Glückspilz.

 

 

 

 

Foto: (c) montagmorgen.berlin

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