„Guck mal da!“, ruft das Kind und läuft los. Die Mutter antwortet pragmatisch: „Pass auf, dass du da nicht reintrittst!“ Doch da ist es schon zu spät. Das Kind ist außer Hörweite und der Straßenlärm übertönt die mahnenden Worte.
Innerhalb weniger Sekunden wechselt der Gesichtsausdruck der Erziehungsberechtigten von Entsetzen über Ärger und Verzweiflung hin zu Resignation. Krimi im Gesicht. Ein faszinierender Anblick. Nun ist Junior in einiger Entfernung stehen geblieben, den Blick konzentriert auf die Gehwegplatten gerichtet.
Die Mutter müht sich sichtlich, schnellstmöglich aufzuschließen. „Ich hab‘ doch gesagt, pass …“, weiter kommt sie nicht. „Das sieht cool aus!“, ruft das Kind. Für die Ästhetik des Gebildes auf dem Trottoir hat die Mutter nichts übrig. Ihr Blick haftet auf dem Kinderschuh, dessen Spitze sich schon die ganze Zeit fünf Zentimeter neben einem steil aufragenden braunen Würstchen befindet. Jetzt bloß nicht bewegen. Keine unüberlegten Handlungen, würde ich ihr am liebsten zurufen. Gaaanz vorsichtig. Der Schuh steht quasi am Abgrund.
Die Mutter meint es gut. Sie zieht an der linken Schulter des Kindes und verdammter Mist noch einmal, wer hätte das ahnen können… Warum herrscht in einem kleinen Kinderkörper eine derart seitenverkehrte Reaktionsübertragung. Der rechte Fuß geht nach vorne. Ich mag gar nicht hinsehen. „Pass a..“, höre ich die Mutter wieder. Das Kind taumelt. Stille. Knapp daneben. Puh. „Das sieht aus wie eine Sahnehaube, nur in Schoko“, stellt es ungerührt fest. „Na wenn de meinst …komm jetzt!“, sagt die Mutter recht energisch. Die beiden gehen weiter.
Auch ich habe meinen Weg fortgesetzt und darf nun im Vorbeigehen das kleine Kunstwerk mit seiner leicht schrägen, dennoch festen Gestalt bewundern. Und wie ich so gucke und nachdenke und weiterlaufe, bemerke ich den verschmierten Rest von „Schokopudding“ unter dem gelben Herbstlaub nur im allerletzten Augenblick und ziehe meinen rechten Fuß beiseite.
Allet noch mal jutjejangen!